Die Freie Trauung und das Standesamt

Brautpaare unterscheiden bei ihrer Heirat gern zwischen dem offiziellen Behördengang, der leider unumgänglich ist, und der feierlichen Zeremonie als der eigentlichen Trauung, nach der schließlich auch die große Hochzeitsfeier folgt. Manchmal scheint der bürokratische Akt, ohne den nun einmal die rechtmäßige Eheschließung nicht möglich ist, geradezu ein Ärgernis zu sein. Das Standesamt ist zeitlich unflexibel, heißt es, zudem können nur zwei Trauzeugen benannt werden, die Räumlichkeit ist zu klein, der oder die Standesbeamte möchte nicht unter freiem Himmel trauen, …. So haben wir Freien Redner/innen unsere Daseinsberechtigung erlangt, was für uns natürlich toll ist. Dennoch möchten wir hier unbedingt für die Standesamt-Kollegen eine Lanze brechen! Klar gibt es immer wieder negative bis leidvolle Erfahrungen mit dem Beamtentum, auch in Zusammenhang mit der Eheschließung. Manchmal bezieht sich das sogar auf einzelne bestimmte Redner-Persönlichkeiten, die den falschen Job ergriffen zu haben scheinen. Aber ganz ehrlich – nicht ganz so begabte Redner gibt es unter uns Freien ebenfalls. Genau aus diesem Grund ist ja unser RedeKunstWerk entstanden.

Selbstverständlich nimmt sich aber kein/e Standesbeamter*in mehrere Stunden Zeit, um ein Brautpaar in Gänze kennenzulernen, so wie wir das tun. Natürlich fällt dann die Eheschließung deutlich kürzer aus und weniger persönlich. Eine ausschweifende Zeremonie ist aber auch nicht die Aufgabe der Behörden-Kollegen. Tatsächlich darf man daraus keinen Vorwurf machen, sondern muss – im Gegenteil – vielmehr wertschätzen, wieviel Mühe sich die meisten Standesbeamten geben mit jeder Eheschließung. Mal zum Vergleich: Für viele Menschen ist auch ein neues Auto etwas sehr Besonderes. Wer dann voller Euphorie für die Zulassung das Straßenverkehrsamt betritt, nimmt ganz schnell wieder den Fuß vom Gas. Denn er wird dort ganz sicher niemanden finden, der oder die bereit ist, sich überschwänglich mitzufreuen. Für die Zulassung kommt die Behörde auch nicht nach draußen auf den Parkplatz, geschweige denn in die eigene Garage. Und versucht mal, für die Zulassung einen Termin am Samstag zu bekommen, weil man dann mit ein paar Freunden im Anschluss auf das Ereignis anstoßen könnte.

Nun ist das neue Gefährt keine wichtige Lebensentscheidung wie der oder die Ehe-Gefährte*in, und genau das ist der Punkt. Jeder Standesbeamte weiß, dass die Eheschließung etwas unfassbar Bedeutendes ist, und deshalb wird diese zelebriert, soweit das im behördlichen Rahmen möglich ist. Das ist den Kollegen hoch anzurechnen, finde ich. Schaut mal darauf, was da alles möglich ist: Es werden besondere Räumlichkeiten angeboten, ein Samstags-Termin um 13 Uhr ist gar nicht abwegig, es darf Live-Musik bestellt werden, Blumendekoration gehört zum klassischen Programm. Deshalb würden wir vielmehr den Ratschlag an unsere Brautpaare geben: Macht Euch doch bitte selbst durch eine negative Einstellung nicht diesen wichtigen Akt kaputt. Mir tut es für jeden Standesamt-Kollegen leid, wenn er (oder sie) nicht den Ringtausch miterleben darf, weil dieser symbolische Akt für unsere „richtige“ Zeremonie aufgespart werden soll. Das ehrt uns Freie Redner/innen dann sehr. Es zeigt uns auch die große Verantwortung, die wir tragen. Denn die Erwartungshaltung der Brautpaare wird in dieser Äußerung ganz deutlich erkennbar. Und die erfüllen wir mit umso mehr Stolz und Freude. Wir freuen uns aber auch, wenn wir in der Freien Trauung einem großen Kreis an gespannten Hochzeitsgästen berichten dürfen, dass schon der Standesamt-Gang ein ergreifender Moment war.

Jedes Brautpaar sollte dem Standesamt-Gang die große Bedeutung zukommen lassen, die er in sich trägt. Braut und Bräutigam nehmen sich sonst selbst den besonderen Zauber, den sie allein durch die große Robe inklusive Entourage in die Behörde tragen. Die Bedeutung eines Anlasses liegt doch letztendlich immer in einem selbst. Sie liegt in den Menschen, die sich mitfreuen. Und gerade und vor allem beim Standesamt liegt sie auch in der Unterschrift auf einem sehr wichtigen Dokument. Auch wenn beide Partner überzeugt sind, dass kein Schriftstück notwendig ist für das Sichern der ewigen Liebe, so fühlt sich doch nach der Unterschrift auf der Eheurkunde alles nochmal verbindlicher an…, fester…, sicherer…, für immer eben… und das staatlich verbrieft. Und ganz ehrlich: Das können wir nicht leisten, so schön und gefühlvoll und persönlich unsere Worte auch sein mögen.

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Anja Kellersmann

Anja hat ihre Leidenschaft, das Schreiben, zum Beruf gemacht und ist Freie Rednerin seit 2012. Sie begleitet Trauungen wie auch Kinderwillkommensfeste und führt pro Jahr 40 Zeremonien durch.
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Anja hat ihre Leidenschaft, das Schreiben, zum Beruf gemacht und ist Freie Rednerin seit 2012. Sie begleitet Trauungen wie auch Kinderwillkommensfeste und führt pro Jahr 40 Zeremonien durch.

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