Selbstvertrauen ist das Vertrauen in die eigenen Kräfte und Fähigkeiten. Nicht alle, die wir am ersten Tag unseres Lehrgangs kennenlernen dürfen, bringen das in gleichem Maße mit. Es gibt einen Verdacht, die Redner/innen-Berufung in sich zu tragen. Aber ob die auch nach außen will, so wie bei Julian und mir, dessen sind sich bei weitem nicht alle sicher.
Am letzten Tag sieht die Sache anders aus. Eigentlich schon nach Tag 6, dem großen Vortrags-Tag. Um sich vorstellen zu können, wie aufregend der ist, muss man dabei gewesen sein! Ich versuche trotzdem, es zu beschreiben:
Bei Rückkehr zum zweiten Lehrgangs-Block wird an nichts Anderes gedacht als an den Moment, in dem zum ersten Mal vor eine Gruppe getreten wird mit einem selbst verfassten Rede-Kunstwerk. Ist es wirklich ein Kunstwerk geworden? Und wie werde ich den Vortrag überstehen können, wenn an die 18 erwartungsvolle Augenpaare auf mich gerichtet sind?! Und, ach ja (!), in einer richtigen Trauungs-Situation wird das irgendwann ja auch der Fall sein, da sogar noch viele Augen mehr! Und es gibt nur diese eine Chance! Da stellt sich dann dieses Gefühl im Magen ein, von dem unser Coach Benjamin findet: „Das ist gut. Das ist der Raum, in dem gerade spürbar Veränderung entsteht. Begrüßt am besten dieses Gefühl ganz besonders freundlich.“ Recht hat er. Und er weist darauf hin: „Bei uns habt ihr den geschützten Raum, in dem ihr Euch ausprobieren könnt. Hier kann euch nichts passieren.“. Und das ist unschätzbar wertvoll. Aber das merken sie erst, wenn sie mittendrin stehen.
Den ersten Tag dieses zweiten Lehrgangs-Blocks haben wir bewusst entspannt gestaltet mit dem Marketing-Part, der am Ende Raum lässt für das letzte Üben der Vorträge. Denn eigentlich ging es den ganzen Tag über nur darum, zumindest in jeder noch so kleinen Pause. Und tatsächlich findet sich am frühen Abend eine Gruppe am Kamin zusammen, die sich gegenseitig ihre selbst geschriebenen Reden vorträgt, um sich die notwendige Sicherheit zu holen durch Bestätigung… und vielleicht noch ein paar letzte Tipps.
Eigens angeschaffte und perfekt ausgestaltete Redner-Mappen werden per Express-Versand an das Hotel Rittergut Osthoff geschickt, weil sie in der Aufbruchs-Aufregung zu Hause vergessen wurden. Die eine oder andere macht sich ganz besonders schick, um sich noch stärker in die Vortrags-Situation hineinzubegeben. Und dann erwartet alle ein richtiger Traubereich mit Stehtisch und Traubogen und einer Anordnung der Teilnehmer-Plätze in Form einer Reihenbestuhlung mit Mittelgang. Das macht es erst einmal nicht entspannter. Aber in der Gruppe sind alle einander wohlgesonnen, alle fühlen mit den anderen mit. Und unsere Coaches Leon und Benjamin haben eine so ausgeprägte Kompetenz für strukturiertes und wertschätzendes Feedback, dass nach Runde 1 der zweite Durchgang am Nachmittag schon gar nicht mehr so schrecklich erscheint – im Gegenteil. Alle lernen, wo ihre größte Stärke liegt, was sie noch ausbauen könnten, was sie ablegen dürfen, welche besondere Ausstrahlung sie haben und das Wichtigste: dass die Aufregung bei niemandem erkennbar ist. Wirklich nicht.
Am Ende des Tages ist der Tenor beim abendlichen Ausklang durchgehend: „Ich weiß jetzt, dass ich das kann. Ich muss jetzt einfach nur noch loslegen. Ich bin jetzt ganz sicher: Ich werde eine Freie Rednerin sein, wenn ich wieder nach Hause fahre!“ Und das ist für uns das Wichtigste: so großes Selbstvertrauen zu schaffen, dass sich unsere Redekünstlerinnen auf ihren Weg machen.